Vorbericht zu den Herbstauktionen für Moderne & Zeitgenössische Kunst

Die Farbe tobt, die Form sprengt alle Grenzen | Karl & Faber versteigert bahnbrechende Kunst – vom Blauen Reiter und der Brücke über Fontanas Raumkonzepte bis hin zu aktuellen feministischen Positionen

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  • Am 9. und 10. Dezember lädt Karl & Faber zu seinen großen Herbstauktionen für Moderne und Zeitgenössische Kunst ein – und am 10. Dezember zur Jubiläumsauktion Tendenzen der Abstraktion, die 300. Karl & Faber Auktion. Zudem gibt es in Kooperation mit der Münchner Initiative Various Others und dem Kunstverein München am 9. Dezember eine Benefizauktion
  • Zur Offerte der Karl & Faber Herbstauktionen zählen zahlreiche marktfrische Werke und Arbeiten von musealem Rang. Von Meistern der Moderne wie August Macke oder Franz Marc und großartigen Gegenwartskünstlern wie Christo oder Lucio Fontana
  • Die Vorbesichtigung aller Werke ist vom 30. November bis 8. Dezember bei Karl & Faber in München möglich. Die Saalauktionen finden mit den gebotenen Schutzvorkehrungen statt. Zudem kann online, telefonisch oder schriftlich mitgeboten werden

Kunst bringt Farbe ins Leben. Das kann gerade heute nicht oft genug betont werden. Und die schönsten Beispiele liefern uns die Künstler im Umfeld des Blauen Reiters. Einer ihrer bekanntesten Vertreter ist August Macke. Aus der marktfrischen Baden-Württembergischen Privatsammlung, der Karl & Faber die SonderauktionTendenzen der Abstraktion mit rund 70 Werken widmet, stammt sein Gemälde Frau mit Kind an der Gartenmauer von 1913 (Los 409). Es entstand ein Jahr vor Mackes Tod auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs. Welch ein Gegenentwurf dazu ist diese Arbeit, die allein durch ihre Farbgebung pures Licht und Lebendigkeit ausdrückt. „Selbst in einer gleichmäßigen, sagen wir grünen Fläche, darf keine tote Stelle sein, die Farbe muss arbeiten, vibrieren, leben“, schreibt Elisabeth Erdmann-Macke über die reifen Werke ihres Mannes. Das besonders großformatige Ölgemälde geht mit einem Schätzpreis von € 400.000/600.000 an den Start.

Im Œuvre von Franz Marc spielt die Bedeutung der Farbe ebenfalls eine entscheidende Rolle. Sein Ziel ist, eine eigene Farbenlehre zu schaffen. Zunächst sind Tiere sein bevorzugtes Motiv, bevor sich seine Arbeiten mehr und mehr aus geometrischen Formen zusammensetzen. Die doppelseitige Zeichnung Recto: Abstrakte Formen – Verso: Rötliches Tier von 1913/1914 (Los 407) vereint beides auf einem Skizzenblatt. Taxe: € 350.000/550.000.

Als sich Gabriele Münter mit Wassily Kandinsky ins Schweizer Exil zurückzieht, schafft sie nur wenige, dafür aber farbintensive Werke: Im Ölgemälde Dame im Park (Mariahalde) von 1914 (Los 414) dürfen sich die Farben frei entfalten, ohne Rücksicht auf Umrandungslinien. Taxe: € 250.000/350.000.
In der Karl & Faber Herbstauktion kommen Werke all ihrer Weggefährten zum Aufruf: Etwa von
Wassily Kandinsky die frühe Gouache Die Schiffe (Holland) von 1904 (Los 401N), die zu seinen „farbigen Zeichnungen“ zählt. Taxe: € 220.000/280.000. Alexej von Jawlensky ist mit einer „nur mit der Farbe gesprochenen“ Meditation von 1934 vertreten (Los 408). So nennt er die Gesichter, die er seit dieser Zeit malt. Das kleine, aber feine Ölgemälde geht mit einem Schätzpreis von € 50.000/70.000 an den Start.

Von Ernst Ludwig Kirchner kommt eine Gruppe schöner Zeichnungen zum Aufruf – von frühen Arbeiten aus der Brücke-Zeit bis zum Spätwerk in Davos. Alle stammen aus seinem Nachlass und haben eines gemeinsam: Der Künstler bringt darin mit wenigen Linien das Wesentliche zum Ausdruck. Der Großteil der Blätter startet zu einem Schätzpreis von € 18.000/24.000 (Los 400, 406N, 412N, 413N).
In der Skulptur ersetzt die reine Form die Farbe. Wie im berühmten Spaziergänger (Los 404) von
Ernst Barlach aus dem Jahr 1912. Der Bronzeguss entsteht vermutlich noch zu Lebzeiten des Künstlers. Taxe: € 50.000/60.000. Seine Verhüllte Bettlerin von 1919 (Los 417) ist eines von zwölf unnummerierten Exemplaren aus einer Auflage, die posthum seit 1961 gegossen wurde. Taxe: € 30.000/40.000.
Die Mänade von Fritz Klimsch von 1929 (Los 416) ist in dessen Gesamtwerk etwas Einmaliges geblieben: „Es war der Eindruck einer Tänzerin, die mir Modell stand und plötzlich in Raserei so stillstand. Das war überwältigend.“ Die Bronze mit grünschwarzer Patina startet mit einer Taxe von € 25.000/30.000.
Internationale Namen prägen die Druckgrafikofferte: So ist Pablo Picasso mit drei hervorragenden
Blättern vertreten, darunter Nature morte à la pastèque von 1962 (Los 430). Der farbige Linolschnitt ist das beste Beispiel, wie meisterlich Picasso diese Drucktechnik beherrscht. Schätzpreis: € 20.000/30.000.
Noch mehr Farbe bringen zwei weitere Blätter ins druckgrafische Angebot: Marc Chagalls legendäre
Lithografie Le rêve de Paris von 1969/70 (Los 434) zum Schätzpreis von € 15.000/20.000 und eine Radierung von Max Beckmann. Der Ausrufer (Selbstbildnis) von 1921 (Los 422) ist ein seltener Probedruck außerhalb der Auflage von 200 Exemplaren auf orangefarbenem Japan. Schätzpreis: € 10.000/12.000.

Traumhafte Architektur präsentieren drei Ansichten von Gebäuden, die Lyonel Feininger in seiner ganz eigenen Art verewigt – in einer Horizontalen aufgereiht, erfasst in wenigen geraden, sich überschneidenden Linien mit einem Hintergrund aus reiner Farbe: sattes Blau, knalliges Grün und weiches Blau-Braun. B-B Town (Los 423, Taxe: € 140.000/180.000), Deep 1953 (Los 425N) und Houses under Moon (Los 424N) (Taxe: für beide jeweils € 20.000/30.000) stammen aus seiner späten Schaffensphase ab 1940.

Völlig losgelöst von jeglichem Motiv sind schließlich Hans Hartungs gestische Arbeiten T1963-R34 von 1963 (Los 428, Taxe: € 120.000/150.000) und T1962-A27 von 1962 (Los 429, Taxe: € 50.000/70.000). Beide sind typisch für diese Phase des Künstlers zu Beginn der 1960er Jahre, in der er impulsiv und schwungvoll Linien unterschiedlicher Breite in die noch nasse Farbe kratzt.

Kunst sprengt gerne Grenzen. Das belegt das Angebot Zeitgenössischer Kunst bei Karl & Faber,
das sich zudem durch seine enorme Bandbreite und die hochwertige Qualität der Arbeiten auszeichnet. Ein Werk von musealem Rang ist Concetto Spaziale von Lucio Fontana aus dem Jahr 1959 (Los 909). Durch die Zerstörung der Bildfläche mithilfe feiner Messerschnitte stellt er die Regeln der traditionellen Tafelmalerei infrage. Mit dem revolutionären Ansatz seiner „Raumkonzepte“ erhält der italienische Künstler bald internationale Aufmerksamkeit – etwa auf der documenta II. Die vorliegende kompakte Collage wird nun erstmals auf dem Markt präsentiert. Schätzpreis: € 140.000/160.000.
Gleichfalls von musealer Qualität ist Christos Reliefobjekt Store Front (Project) von 1965 (Los 912). Es entsteht im ersten Jahr, nachdem das Künstlerpaar von Paris nach New York übergesiedelt ist, und kündigt den Wandel zu den großen Verhüllungsobjekten an. Schätzpreis: € 60.000/80.000.

Georg Baselitz’ Rude von 1992/93 (Los 946) zeugt eindrucksvoll von der Arbeitsweise, die sein Œuvre im Kern ausmacht: Ständig überdenkt und überarbeitet Baselitz frühere Bildfindungen. In diesem Fall sein Werk 2. Kopf von 1966. Die vorliegende Neufassung ist mehrfach übermalt, dreimal datiert und stellt das ursprüngliche Motiv auf den Kopf. Baselitz widmet das Werk dem Fotografen Benjamin Katz, seinem Weggefährten. Schätzpreis: € 130.000/180.000.

„Ich sehe neue Horizonte auf mich zukommen, die Hoffnung auf ein neues Alphabet“, schreibt Marcel Broodthaers 1974 auf ein Flugblatt zu seiner Ausstellung Catalogue-Catalogus in Brüssel. Dort hängt die erste Version des vorliegenden abc aus dem gleichen Jahr (Los 924N). Das abc-Motiv taucht bei ihm immer wieder auf und soll dazu aufrufen, Worte und Sprache zu hinterfragen. Taxe: € 100.000/120.000.

Ein Newcomer mit hohem Wertsteigerungspotenzial ist André Butzer, 1973 in Stuttgart geboren. In den Auktionen der vergangenen zwei Jahre stiegen die Preise für seine Arbeiten kontinuierlich. Sein Werk Ohne Titel von 2004 (Los 950), Gouache und Kugelschreiber, startet mit € 10.000/12.000.

Mann und Frau thematisiert Stephan Balkenhol gewohnt schlicht in seinem Holzrelief von 1986 (Los 949). Anfang der 1980er Jahre – als die Abstraktion die Kunst bestimmt – beginnt er, figürlich zu arbeiten und die menschliche Skulptur zu hinterfragen. Mit Erfolg bis heute! Gerade zeigt das Lehmbruck-Museum in Duisburg bis Ende Februar eine umfassende Werkschau. Schätzpreis: € 120.000/160.000.

„Because the night …“ Als Patti Smith mit ihrem Song 1978 die Charts erobert, gibt es nur wenige international anerkannte Künstlerinnen. Heute zählt die vielseitig orientierte Lyrikerin, Musikerin, Fotografin und Malerin selbst dazu. Von ihr stammt die Zeichnung The Heart is a lonely Hunter von 2009 (Los 926, Taxe: € 3.000).  Doch der Weg bis zur Gleichberechtigung in der Kunst ist lang und ein ständiger Kampf. Es braucht mutige Arbeiten, um den Weg für nachfolgende Generationen von Künstlerinnen zu ebnen. Einige dieser Pionierinnen mit Positionen feministischer Kunst präsentiert Karl & Faber in der aktuellen Herbstauktion: Das Highlight dieser 15 Werke umfassenden Offerte (Lose 925 bis 940, ohne Los 937) ist Assembly II von Kiki Smith aus dem Jahr 2009 (Los 934). Eine großformatige Papierarbeit der US-Künstlerin, in der alle wesentlichen Merkmale vereint sind, die ihr facettenreiches Œuvre ausmachen. Schätzpreis: € 50.000/70.000. In der Gruppe vertreten sind außerdem Rosemarie Trockel, Jenny Holzer, Shirin Neshat, Carolee Schneemann, Valie Export, Nancy Spero, Jana Sterbak und Jorinde Voigt. Deren Werk Perm I, II und III erzielte in der jüngsten Karl & Faber Sommerauktion mit € 175.000* einen Weltrekord.

Das Begehen neuer Wege erfordert auch die aktuelle Situation. Die Lage von Kulturschaffenden und
Institutionen in München ist äußerst fragil, sodass sich drei ansässige Partner zusammengeschlossen haben, um neue Perspektiven zu entwickeln: Karl & Faber Kunstauktionen, die Kunstinitiative Various Others und der Kunstverein München. Erstes Ergebnis der Kooperation: Eine Benefizauktion im Traditionshaus Karl & Faber, für die Künstler*innen, Förder*innen und Mitglieder etliche Werke gesammelt
haben, um die lokale Szene und ihre Kulturschaffenden zu unterstützen. Die Offerte, die am Mittwoch,
9. Dezember im Anschluss an Auktion 299 unter den Hammer kommt, ist eine Auswahl an Arbeiten, die unterschiedlichen Akteur*innen Sichtbarkeit gibt und über Institutionsgrenzen hinaus neue Wege eröffnet. Damit die Kunst weiterhin Farbe in unser Leben bringen kann.

PRESSEBILDER
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SAALAUKTIONEN
Die Saalauktionen finden mit entsprechenden Schutzvorkehrungen statt. Aufgrund der situationsbedingten Beschränkung der Besucherzahlen empfiehlt es sich, schriftlich, telefonisch oder online zu bieten.

Ort: Karl & Faber Kunstauktionen, Amiraplatz 3, 80333 München (Luitpoldblock, 4. Stock)

Mittwoch, 9.  Dezember 2020 – Auktionen 299 / 301
Moderne Kunst & Zeitgenössische Kunst (Teil II) / Benefizauktion im Anschluss

AUKTIONSVERLAUF
11.00 Uhr    Moderne Kunst (Teil II)                Los 500–617
14.00 Uhr     Zeitgenössische Kunst (Teil II)  Los 1000-1181

Donnerstag, 10.  Dezember 2020 – Auktionen 299 / 300 / 301
300. Jubiläumsauktion – Tendenzen der Abstraktion
Moderne Kunst & Zeitgenössische Kunst – Ausgewählte Werke (Teil I)

AUKTIONSVERLAUF
17.00 Uhr     Tendenzen der Abstraktion        Los 700-722
18.15 Uhr     Moderne Kunst (Teil I)                 Los 400-435
19.00 Uhr    Zeitgenössische Kunst (Teil I)     Los 900–952

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