Early Preview zur Sonderauktion „Tendenzen der Abstraktion“

Eine Sammlung zu entdecken, kommt einer Fährtensuche gleich. Der Sammler, der die Werke zusammengetragen hat, hinterlässt Spuren seiner Leidenschaft. Sie führen zu Orten, zu Menschen und zu Ideen.

In unserer Early Preview können Sie bereits jetzt herausragende Werke der Ulmer Sammlung mit dem Titel „Tendenzen der Abstraktion“ entdecken. Die Ausstellung wird bis Freitag, 16. Oktober, zu sehen sein.

Laufzeit: Donnerstag, 8. Oktober bis Freitag, 16. Oktober 2020
Ort: Karl & Faber Kunstauktionen, Amiraplatz 3, 80333 München

Die Werke aus dem Katalog Tendenzen der Abstraktion werden als Sonderauktion mit ca. 70 Losen am Donnerstag, 10. Dezember 2020 versteigert.
Weitere Werke der Sammlung kommen im Rahmen der Auktionen Moderne und Zeitgenössische Kunst am 9. und 10. Dezember 2020 zum Aufruf.

Der Katalog ist ab Mitte November erhältlich und auch hier als Onlinekatalog einsehbar.

Über die Ulmer Sammlung

Wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs erblüht der kulturelle Neuanfang ausgerechnet in der schwäbischen Provinz – weit weg von späteren Kunstmetropolen wie Köln oder Düsseldorf. 1953 eröffnet in Ulm die Hochschule für Gestaltung, kurz HfG. Gegründet auf Initiative von Inge Scholl, der Schwester der beiden Widerstandskämpfer Sophie und Hans Scholl. Mitbegründer und ihr späterer Ehemann ist der Grafikdesigner Otl Aicher, der 1972 das Erscheinungsbild der Olympischen Spiele in München prägen sollte. Angelehnt an das Bauhaus genießt die Ulmer HfG bald höchstes internationales Ansehen. Ihr Ausbildungskonzept und ihre Designvorstellungen wirken bis weit in die Gegenwart hinein.

In diesem Umfeld legt ein junger Mann den Grundstein für eine Sammlung, die vom Geist dieses kulturellen Aufbruchs und Neubeginns zeugt. Spät aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt und neugierig auf alles, was von außen kommt, erlebt der Ulmer Kunstliebhaber, wie junge, unangepasste Leute in seiner Heimatstadt auftauchen. An der HfG unterrichten als erste Dozenten bekannte Künstler wie Josef Albers, Walter Peterhans, Johannes Itten und Helene Nonné-Schmidt. 1955 bezieht die HfG einen Neubau nach Entwürfen von Max Bill, kein Geringerer als Walter Gropius hält die Eröffnungsrede. Max Bill, Mitbegründer und erster Direktor der HfG formuliert deren Anspruch so: „Die gesamte Tätigkeit an der Hochschule ist darauf gerichtet, am Aufbau einer neuen Kultur mitzuarbeiten.“ Als Kronzeugen ruft er die Wegbereiter der Abstraktion auf: Wassily Kandinsky, Paul Klee und László Moholy-Nagy.

Alle drei sind in der umfangreichen Sammlung vertreten. Das Abstrakte zieht sich wie ein roter Faden durch die Offerte, deren Werke der Ulmer Kunstfreund von den 1950er bis in die 1990er Jahre erwirbt. Geleitet wird er von denjenigen, die im engen Ulm der frühen Nachkriegsjahre dem Denken neuen Raum schaffen – wie der Publizist, Verleger und Kunstsammler Kurt Fried. Dieser unterhält ab 1959 mit dem „studio f“ eine private, nicht kommerzielle Galerie, die aktuelle Positionen zeigt, bevor sie im institutionellen Kunstbetrieb sichtbar werden – ein Off Space und avantgardistischer Kristallisationspunkt im Ulm der Wirtschaftswunderjahre.

Parallelen zur Sammlung Kurt Fried

Die Sammlung Kurt Fried, heute im Museum Ulm beheimatet, zeigt anhand vieler Parallelen, wie nahe sich die beiden schwäbischen Kunstliebhaber gestanden haben müssen: In beiden Sammlungen finden sich hochkarätige Werke der Klassischen Moderne sowie von Mitgliedern der Gruppe Abstraction-Création wie Wassily Kandinsky, Kurt Schwitters oder Friedrich Vordemberge-Gildewart, der Dozent an der HfG Ulm war. Dort studierte seit 1953 Almir Mavignier, der als Vertreter der konkreten Kunst und der Op-Art ebenfalls in beiden Sammlungen auftaucht. Er war ein wichtiges Bindeglied zwischen der HfG und Kurt Frieds „studio f“, welches für die Gruppe ZERO eine bedeutende Plattform war. Wie in Frieds Sammlung ist auch im Konvolut Tendenzen der Abstraktion mit Günther Uecker einer ihrer wichtigsten Künstler vertreten: mit einer frühen Komposition von 1967.

Es ist die Auseinandersetzung mit Farbe, Form, Licht, Raum und Bewegung, die beide Sammlungen charakterisiert:  Zu sehen auch in den Werken von Günter Fruhtrunk, Victor Vasarely, Gottfried Honneger, Rupprecht Geiger oder Jiri Hilmar. Die mathematische Ordnung begeisterte beide Sammler, doch ihr Blick blieb geweitet. So findet sich in Tendenzen der Abstraktion überraschend eine frühe Décollage von Mimmo Rotella, „Quasi una dramma“ von 1961.

Gesammelt wurde übrigens gänzlich undramatisch in Ulm. Über Kurt Fried heißt es in einem Ausstellungskatalog, er sei seinen Weg unbeirrt gegangen, „mit Stiefeln schwäbischen Zuschnitts: solide, unauffällig, nachahmenswert“ (Ausstellungskatalog, studio f Sammlung Kurt Fried, Ulmer Museum, März-Mai 1976).
In diesem Sinne würdigt Karl & Faber den zweiten großen Ulmer Kunstliebhaber mit einer Sonderauktion und einem eigenen Katalog – die beide vom kulturellen Aufbruch in schwierigen Zeiten zeugen.

In den Sonderauktion Tendenzen der Abstraktion sind u. a. folgende Künstler vertreten:
Yacov Agam
Günter Fruhtrunk
Rupprecht Geiger
Alexej Jawlensky
Wassily Kandinsky
Paul Klee
Almir Mavignier
László Moholy-Nagy
Markus Prachensky
Lothar Quinte
Mimmo Rotella
Kurt Schwitters
Günther Uecker
Victor Vasarely
Friedrich Vordemberge-Gildewart
u.v.m.